Lori sollte (Lorina) eigentlich als Junge geboren werden – genau wie schon ihre Schwester Carola. Die ist eine erfolgreiche Bankerin und sieht wenigstens hübsch aus, aber Lori ist für ihre Eltern eine Enttäuschung auf ganzer Linie: „Mein Gesicht erinnert an eine misslungene Kinderzeichnung.“ und ihr Körper wäre auch nicht gelungen.
Allerdings hat sie doch positive Eigenschaften – sie kann sehr gut kochen, ist kräftig und redet nicht viel. Es scheint so als ob ihr gewälter Beruf als Altenpflegerin perfekt zu ihr passt.
Ausserdem hat sie Glück bei ihrer Stellensuche. Victoria Alsfelder ist ihre Arbeitgeber und eine nette alte Dame, die seit einem Schlaganfall halbseitig gelähmt ist und im Rollstuhl sitzt. Ihr Mann hat sie zwar verlassen, sorgt aber gut für sie. Dort bei Frau Alsfelder bekommt sie neben dem sehr guten Gehalt auch noch freie Kost und Logis. Neben ihr arbeiten dort noch de halbtags-Haushälterin Nadine, ein Gärtner und der Physiotherapeuten Boris, der Frau Alsfelder dreimal in der Woche behandelt.
Ausserdem gibt es noch den Großneffen Christian, auch mehr oder weniger liebevoll „der Erbschleicher“ genannt wird. Er kümmert sich offiziell um alles Technische und Finanzielle, aber Nadine traut ihm nicht und steckt auch Lori bald damit an. Lori ist schon 30 und völlig unerfahren, als sie das erste Kompliment ihres Lebens bekommt. Boris sagt zu ihr „Du hast wunderschöne Kulleraugen.“ und obwohl Frau Alsfelder Lori warnt, lässt sie sich auf ihn ein. Aus dem stürmischen Liebhaber wurde leider schnell ein tyrannischer Gigolo. Lori will ihm wirklich nur einen Denkzettel verpassen, der allerdings gewaltig schief geht …
Mit diesem Werk hat sich Ingrid Noll mal wieder einmal selbst übertroffen. In ihren Werken braucht sie keine dramatische Handlung, um Spannung aufzubauen. Sie schafft es geschickt eigentlich Alltägliches in ihrem Buch zu verwenden – außerdem gefällt mir ihre pointierte Situationskomik.
Die Darsteller ihrer Romane sind mitten aus dem Leben gegriffen und trotzdem herrlich skurril. Zum einen ist das die ungewöhnliche Arbeitgeberin, für die ein Physiotherapeut singen können muss oder wenigstens Gedichte und Balladen rezitieren, dafür macht sie gern Abstriche bei der fachlichen Kompetenz, und zum anderen die robuste Pflegerin, die mit 30 plötzlich die Frau in und die Liebe für sich entdeckt.
Die Personenrunde wurde ergänzt durch die nette, aber misstrauische Haushälterin, den geschickten Erbschleicher, einen notorischen Fremdgänger und einen ewigen Studenten. Später gesellt sich zu ihnen noch ein aufgeschwatzter Welpe und ein zurückgelassenes Baby. Diese Situation wirft den gemütlichen Haushalt ordentlich durcheinander bringt aber gleichzeitig neuen Schwung rein.
Eine herrliche Handlung und man ist enttäuscht, wenn man ans Ende des Buches ankommt …… weil man gerne noch weiterlesen möchte!
- Herausgeber : Diogenes; 1. Edition (26. Oktober 2022)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 304 Seiten
- ISBN-10 : 3257246641
- ISBN-13 : 978-3257246643
- Originaltitel : Kein Feuer kann brennen so heiß
- Abmessungen : 11.2 x 2.2 x 18.2 cm