„Refugium“ hat eine fesselnde Historie: Die Millennium-Trilogie des schwedischen Journalisten Stieg Larsson zählt zu den international erfolgreichsten Krimi-Serien. Daher ist es nicht überraschend, dass sowohl der Verlag als auch die Erben nach dem Tod des Autors von diesem Erfolg profitieren wollten. Aus diesem Grund suchten sie nach einem Autor, der die Serie weiterführen könnte.
David Lagercrantz wurde als Nachfolger ausgewählt, und es war geplant, dass er die Serie mit insgesamt 10 Bänden fortsetzen sollte. Allerdings konnte seine Fortsetzung bei weitem nicht mit dem Original mithalten, weshalb die Reihe nach nur drei Romanen im Jahr 2019 abgebrochen wurde.
John Ajvide Lindqvist, ein etablierter Schriftsteller, dessen bisherige Werke ausschließlich dem Horror-Genre zugeordnet sind, erhielt die Chance, die Serie fortzusetzen. Allerdings stieß sein Sequel beim Verlag auf wenig Zustimmung und wurde abgelehnt. Also entschied er sich, die Geschichte anzupassen, die Namen der Hauptfiguren zu ändern und veröffentlichte sie unter dem Titel „Refugium“. Dieses Buch war als erster Band der Stormland-Trilogie geplant, die 2024 und 2025 vollständig veröffentlicht werden soll.
Julia Malmros, eine ehemalige Polizistin, hat ihre Karriere gewechselt und ist nun eine erfolgreiche Krimi-Autorin. Sie erhält die Chance, die Millennium-Trilogie fortzusetzen, aber der Verlag stellt ihr den Computerspezialisten Kim Ribbing als Unterstützung zur Seite. Obwohl das Exposé die Erwartungen der Lektorin nicht erfüllt und sie es daher ablehnt, entwickeln Julia und Kim eine enge Freundschaft und beschließen, gemeinsam den Mittsommerabend in Julias Sommerhaus im Schärengarten zu verbringen.
Doch plötzlich bricht ein verheerendes Ereignis los. Ein Boot nähert sich der Nachbarinsel, und zwei Schützen eröffnen das Feuer, wodurch alle Anwesenden getötet werden, außer der Tochter der Familie, die als einzige überlebt. Die Aufklärung dieser grausamen Morde wird von Julias Ex-Mann übernommen, der jedoch keine Ahnung hat, wo er anfangen soll. Hier kommen Ribbing und Julia ins Spiel, denn sie setzen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse ein, um bei der Lösung des Falls zu helfen.
Infolge des Vorfalls stellt sich heraus, dass einer der Toten ein Jugendfreund von Julia ist. Dies bewegt die ehemalige Polizistin dazu, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um die Verantwortlichen zu identifizieren und für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen. Da sie nicht mehr im Polizeidienst ist, kann sie unkonventionelle Ermittlungsmethoden nutzen und ist nicht an die üblichen Vorschriften gebunden. Zusätzlich hat sie mit Kim Ribbing einen talentierten Hacker an ihrer Seite, der sie mit außergewöhnlichen Fähigkeiten unterstützt.
Gemeinsam beginnen sie mit ihren Recherchen, verknüpfen gefundene Informationen und stellen Verbindungen her. Doch dabei stoßen sie auf immer mehr Zusammenhänge, die den Fall weitaus komplexer machen als angenommen. Die Ermittlungen ziehen weitere Kreise und führen sie in ein Geflecht aus Geheimnissen und Intrigen, das weitaus größer ist, als sie es sich je vorgestellt hätten.
Wenn ein Autor die Herausforderung annimmt, eine etablierte Reihe weiterzuführen, kommt es zwangsläufig zu Vergleichen. In diesem Fall hat sich John Ajvide Lindqvist dieser Aufgabe gestellt und schneidet dabei nicht schlecht ab, obwohl er manchmal etwas zu oft seinen Frust über das abgelehnte Manuskript durchscheinen lässt.
Natürlich gibt es deutliche Parallelen: Der Journalist Mikael Blomkvist wird zur Autorin Julia Malmros, beide gehören der schreibenden Zunft an. Kim Ribbing übernimmt die Rolle von Lisbeth Salander, ebenfalls mit schweren Traumata und Bindungsängsten, und die Themen „Big Money“ und mafiöse Strukturen spielen sowohl hier als auch dort eine Rolle.
Lindqvists Handlung spielt in der Gegenwart und behandelt Themen, die in westlichen Gesellschaften aktuell sind und zugleich Potenzial für kriminelle Aktivitäten bieten. Er erzählt mitreißend in kurzen Kapiteln und wechselt geschickt zwischen den verschiedenen Akteuren, was das Tempo und das Interesse des Lesers kontinuierlich hochhält. Er variiert zwischen Action und Recherche und führt am Ende alle Handlungsstränge souverän und ohne Logikfehler zusammen, um offene Fragen zufriedenstellend zu beantworten.
„Refugium“ ist ein mitreißender Krimi, der gekonnt die Erwartungen an die Millennium-Trilogie erfüllt. Spannende Handlung, fesselnde Charaktere und gelungene Verknüpfung verschiedener Themen. Lindqvist begeistert durch sein lebendiges Erzähltalent und das harmonische Zusammenspiel von Action und Recherche. Eine gelungene Fortsetzung, die Leser in ihren Bann zieht!
- Herausgeber : dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG; 1. Edition (4. Juli 2023)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 528 Seiten
- ISBN-10 : 3423283645
- ISBN-13 : 978-3423283649
- Originaltitel : Skriften i vattnet
- Abmessungen : 13.8 x 4.3 x 21.5 cm