/ Februar 7, 2023/ Ratgeber, Rehabilitation

Karl Bühler stellt in seinem Buch „Die Krise der Psychologie“ aus dem Jahr 1927 eine sehr wichtige Frage in den Vordergrund: Wie ist Psychologie möglich? Er kritisiert die bestehenden Herausforderungen und Schwierigkeiten in der Psychologie, insbesondere den Mangel an Verständnis und Überblick über die vielen konkurrierenden Theorien.

Bühler argumentiert, dass es in der Psychologie sowohl ein Verständnis- als auch ein Methodenproblem gibt. Es fehlt ein klares Verständnis darüber, worum es in der Psychologie eigentlich geht und wie man mit dem Neben- und Durcheinander der vielen unterschiedlichen Theorien weiterkommen kann. Diese Probleme haben zur Folge, dass die Psychologie in einer Krise steckt und dringend einer neuen Perspektive bedarf.

Eine Antwort auf diese Problematik liefert Klaus Holzkamp in seinem Buch „Grundlegung der Psychologie“, das 1983 veröffentlicht wurde. Holzkamp führt evolutionsbiologische und gesellschaftstheoretische Analysen zu einer neuen Perspektive in der Psychologie zusammen. Seine „Kritische Psychologie“ entwickelt eine Psychologie, die Subjektivität nicht ausschließt, sondern einbezieht. Hierbei betont Holzkamp, dass Subjektivität ein essentieller Aspekt des menschlichen Verhaltens ist, der nicht ignoriert werden kann, um ein vollständiges Verständnis des Psychischen zu erlangen.

Im Gegensatz zur herkömmlichen Psychologie, die sich auf objektive Gesetzmäßigkeiten auf der Basis unabhängiger Reize und abhängiger Reaktionen konzentriert, sieht Holzkamp das Psychische als Teil eines gesellschaftlich vermittelten Prozesses. Seine „Kritische Psychologie“ betrachtet das Psychische aus einer subjektiven Perspektive, mit Handlungsgründen als einem wesentlichen Bestimmungselement.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bühler mit seiner Frage „Wie ist Psychologie möglich?“ und seiner Kritik an den bestehenden Herausforderungen und Schwierigkeiten eine sehr wichtige Debatte ausgelöst hat, die von Holzkamp in seinem Buch „Grundlegung der Psychologie“ aufgegriffen und weitergeführt wurde

Das Buch „Psychologie, Gesellschaft und Subjektivität“ des kanadischen Psychologen Charles W. Tolman aus dem Jahr 1994 hat eine wichtige Rolle in der Verbreitung des Ansatzes der Kritischen Psychologie gespielt. Diese Strömung innerhalb der Psychologie betrachtet das Subjekt nicht als neutralen Beobachter, sondern als aktiv beteiligten Akteur, dessen Handlungen und Wahrnehmungen von gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst werden. Tolman trug mit seinem Buch dazu bei, dass dieser Ansatz in den angloamerikanischen Sprachraum und in die diskutierten internationalen Bemühungen um die theoretischen Grundlagen der Psychologie einfloss. Seine Arbeit hat dazu beigetragen, dass das Verständnis der Kritischen Psychologie und ihrer Bedeutung für das Verständnis des menschlichen Verhaltens und Erlebens weiter verbreitet wurde.

Das Geleitwort zu Charles W. Tolmans Buch „Psychologie, Gesellschaft und Subjektivität“ zeichnet die Geschichte des Buches und die Rolle seines Autors für die Rezeption der Kritischen Psychologie in den USA nach. Es wurde von einem Wegbegleiter Klaus Holzkamps verfasst, einem wichtigen Protagonisten der Kritischen Psychologie, und bietet eine Perspektive auf die Bedeutung von Tolmans Arbeit für die Entwicklung und Verbreitung dieser Strömung innerhalb der Psychologie.

n seinem ersten Abschnitt beleuchtet Charles W. Tolman die historischen Hintergründe der Entwicklung der Kritischen Psychologie an der Universität Berlin, die sich im Kontext der Studentenbewegung der 60er Jahre und der politischen Umbrüche nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltete. Tolman zeichnet ein Bild der universitären Gegebenheiten und politischen Konstellationen, die den Entstehungskontext der Kritischen Psychologie bilden.

Im zweiten Abschnitt des Buches widmet sich Tolman einer Abgrenzung der Kritischen Psychologie zu wirkmächtigen psychologischen Theorien wie dem Behaviorismus, der kognitiven Psychologie und der Psychoanalyse. Hier stellt Tolman die philosophischen Grundlagen der Psychologie in den Vordergrund und zeigt, wie sie sich von der Kritischen Psychologie unterscheiden. Obwohl Tolman eine breite Palette an psychologischen Theorien abdeckt, scheint er jedoch einen Hinweis auf die Analytische Philosophie des Geistes und ihre Diskussion des Ursache-Gründe-Vermächtnisses zu vermissen. Dies könnte für den Leser eine Lücke in der Darstellung der kritischen Auseinandersetzungen mit anderen psychologischen Ansätzen darstellen.

In Teil 3 des Buches „Psychologie, Gesellschaft und Subjektivität“ von Charles W. Tolman geht es um die Untersuchung grundlegender Konzepte in der Psychologie im Kontext der Natur- und Gesellschaftsgeschichte. Hier wird erörtert, wie Handlungen durch subjektive Gründe motiviert werden und warum Handeln grundsätzlich zwischen Individuen verständlich ist. Außerdem wird die Rolle des Bewusstseins in diesem Zusammenhang untersucht und die Funktionen von Emotionen werden beschrieben. Diese Diskussionen tragen zur Entwicklung eines tieferen Verständnisses für die psychologischen Prozesse bei, die uns als Individuen antreiben und uns innerhalb der Gesellschaft miteinander verbinden.

Im Kapitel „Praxis“ des Buches „Psychologie, Gesellschaft und Subjektivität“ von Charles W. Tolman geht es um die Bedeutung einer kritischen Psychologie im Hinblick auf die Praxis der psychologischen Forschung und Anwendung.

Tolman argumentiert, dass das Reiz-Reaktionsschema, das in der traditionellen Psychologie verwendet wird, die menschliche Ebene des psychischen, einschließlich der Handlungsgründe, systematisch ausblendet. Dadurch erzeugt es Befunde, die eine Kontrolle über die Menschen ermöglichen. Um eine wirklich tiefgreifende Verständnis der menschlichen Psychologie zu erlangen, ist es notwendig, die Perspektive des Subjekts einzunehmen und ein Forschungsdesign zu entwickeln, bei dem das Subjekt aktiv an der Forschung beteiligt ist.

Tolman betont, dass die Verallgemeinerbarkeit von Forschungsergebnissen von der Art der Forschung und der Perspektive abhängt, aus der heraus sie erhoben werden. Daher ist es wichtig, die Forschung in einer kritischen Psychologie vom Standpunkt des Subjekts aus zu betrachten und die Bedeutung von subjektiven Handlungsbegründungen, intersubjektiver Verständlichkeit, dem Bewusstsein und den Funktionen von Emotionen zu berücksichtigen.

Insgesamt liefert das Kapitel „Praxis“ eine kritische Perspektive auf die herkömmliche Praxis der Psychologie und zeigt, wie eine kritische Psychologie, die sich an den Bedürfnissen und Perspektiven des Subjekts orientiert, zu einem tieferen Verständnis der menschlichen Psyche beitragen kann.

Das Buch ist nun auch auf Deutsch im Hamburger Argument-Verlag erschienen und bietet somit eine wertvolle Ressource für alle, die sich für die Theorien und Methoden der Kritischen Psychologie interessieren.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Argument Verlag mit Ariadne; 1., Erstauflage (9. Mai 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Broschiert ‏ : ‎ 192 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3867545979
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3867545976
  • Abmessungen ‏ : ‎ 13.1 x 1.3 x 20.8 cm

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*