Man kann sich nur schwer vorstellen, wie das Leben in Pompeji gewesen sein mag, bevor die Stadt durch den Ausbruch des Vesuvs verschüttet wurde. Hat niemand etwas geahnt? Hätte man rechtzeitig fliehen können? Hätte die große Katastrophe verhindert werden können? Diese Fragen bleiben unbeantwortet, aber Eugen Ruge bietet uns eine fesselnde Interpretation.
In seinem Buch lernen wir eine Stadt kennen, die von römischer Dekadenz geprägt ist, sich aber nicht als Teil des Römischen Reiches betrachtet. Die Bewohner sind eigentlich Samniten und betrachten die römischen Neuerungen kritisch. Sie sind Besserwisser, die den modernen Schnickschnack der Römer ablehnen. In Pompeji gibt es eine Vielzahl von Interessengemeinschaften, politisch, weltanschaulich und in anderer Hinsicht. Querdenker jeder Art finden dort ein Publikum und Anhänger.
Der Protagonist Josse wächst in dieser Umgebung auf. Er ist der gewitzte Sohn eines Metzgers und ein Lebenskünstler, der es durch Charme, Redegewandtheit und Opportunismus schafft, in höchste Kreise aufzusteigen und aus einem harmlosen Vogelschutzverein eine politisch bedeutende Gruppierung zu machen. Die Warnungen der Vulkanologen werden zwar belächelt, aber dennoch gefürchtet. Was, wenn sie Recht haben?
Die Geschichte spielt im Jahr 830 nach Gründung der ewigen Stadt, 15 Jahre nach dem großen Erdbeben. Dennoch sind überall kleine beunruhigende Parallelen zur Gegenwart zu erkennen, die zeigen, was passiert, wenn Warnungen ignoriert werden, sei es aus Bequemlichkeit oder aus wirtschaftlichen Gründen. Und wie soll man wissen, wem man Glauben schenken soll? Die Pythagoräer essen beispielsweise keine Bohnen, weil Pythagoras es seinen Anhängern verboten hat. Sollte man vorsichtshalber auf Bohnen verzichten oder die Stadt lieber verlassen?
Eugen Ruge haucht geschickt einer längst vergessenen Zeit Leben ein und präsentiert uns eine Vielzahl von faszinierenden Charakteren, die er mit Licht und Schatten sowie köstlicher Ironie zeichnet. Das Buch ist ein Genuss, voller feiner Boshaftigkeit.
Das Hörbuch, das von Ulrich Noethen wunderbar gelesen wird, hat eine Spieldauer von 9 Stunden und 11 Minuten. Noethen fängt genau den sarkastischen Erzählton des Textes ein.
- Herausgeber : dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG; 1. Edition (20. April 2023)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 368 Seiten
- ISBN-10 : 3423283327
- ISBN-13 : 978-3423283328
- Abmessungen : 13.4 x 3 x 20.8 cm