/ Februar 27, 2021/ Romane

Da die Mutter arbeiten muss und die Kinder sich allein überlassen sind, steigen an einem kühlen Sommerferientag die Schwestern Sofija und Aljona zu einem Fremden ins Auto und sind verschwunden.

Da sich Aljona nicht mit ihrer jüngeren Schwester sehen lassen kann zogen die Mädchen gemeinsam an den Meeressaum. Die Ältere erzählt von einer ganzen Stadt, die nach dem Großen Vaterländischen Krieg hier auf der Halbinsel Kamtschatka bei einem Erdbeben verschwand. Es ist immer noch für die Mädchen und die Mutter ein unheimliches Gefühl, wenn sie im Freien keinen Schutz vor Erdbeben finden. Wenn Aljonas erzählt, klingen die Geschichten wie Märchen. In Echt ist die Region von Petropawlowsk nach dem Abzug des russischen Militärs jedoch eine nüchterne Stadt, in der unter vielen Russen nur noch wenige Nachkommen der Ureinwohner leben.

Es belastet die ganze Region, das die Schwestern (schon der zweite Fall in kurzer Zeit) verschwunden sind – aber besonders trifft es jedoch die Frauen. Beunruhigte Eltern kontrollieren ihre Töchter strenger denn je. Kinder, die nicht beaufsichtigte sind gelten schnell als verwahrlost. Die Suche der Polizei erscheinen gleichgültig; als wäre nach dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion eine moralische Leere in der Region entstanden.

Ieine empathische, leicht ironische Stimme erzählt in zwölf Kapiteln wie im Laufe eines Jahres das Verschwinden aller drei Mädchen außer den Müttern und den ermittelnden Polizisten mehrere Familien betrifft.

Es eskalierte in dem Fall und hat den unterschwellig spürbaren Konflikt zwischen Ureinwohnern der Halbinsel und russischen Zuzüglern spüren lassen. Korjaken, Itelmenen und Ewenen machen nur noch wenige Prozent der Bevölkerung aus, die Mehrheit sind Russen.

Es ist fragtlich wie lange die Hirtenvölker der Tundra noch nach ihren Traditionen leben können,

Es stimmt Max, der mit zur Suchmannschaft für die Vermissten gehörte, fraglich, wie jemand unbemerkt zwei Kinder aus der Stadt gebracht haben könnte. Die Studentinnen Alisa und Ksjuscha haben einen engen Bezug zur Natur und sind auf der Suche nach ihren kulturellen Wurzeln. Für Ksjuscha als Tochter von Viehzüchtern in der Tundra bedeutet das Verschwinden der Mädchen verstärkten Druck ihrer Angehörigen, weil sie durch ihr indigenes Äußeres besonders auffällig sein soll. Zwischen Tradition und Selbstständigkeit wird sie sich nur schwer entscheiden können.

Durch diesen ungelösten Fall kann man die Situation der Frauen in einer ehemaligen Vielvölkergesellschaft erahnen. Den Alltag dominieren Fremde und deren Werte – die Nachkommen der Ureinwohner fühlen sich an den Rand gedrängt.

Wegen der zahlreichen Figuren Vornamen, Vatersnamen und Spitznamen ist das Personenverzeichnis zu einem wichtigen Teil des Romans geworden. Zunächst hört sich der ungelöste Vermisstenfall nach einem sozialkritischen Krimi vor exotischer Kulisse an… . Insgesamt ist Julia Phillips ein ungewöhnlich empathisches Buch mit glaubwürdigen Figuren gelungen, stets auf der Seite von Frauen und Mädchen.

Land der Töchter, Mütter, Schwestern: Mit diesem kriminalistisch grundierten Debütroman ›Das Verschwinden der Erde‹ kreiert die amerikanische Autorin Julia Phillips ein eindrucksvolles ostsibirisches Gesellschaftspanorama.

von Julia Phillips , Roberto de Hollanda, et al. | 22. Januar 2021

  • Herausgeber ‏ : ‎ dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG; 4. Edition (22. Januar 2021)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 376 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3423282584
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3423282581
  • Originaltitel ‏ : ‎ Disappearing Earth
  • Abmessungen ‏ : ‎ 14.7 x 2.8 x 21.8 cm

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