/ Januar 20, 2020/ Ratgeber

Was Kindern in Kitas wirklich passiert. Und was wir dagegen tun können

Von Dr. Anke Elisabeth Ballmann

Die Autorin Dr. Anke Elisabeth Ballmann gilt als Bildungsvisionärin mit Herz. Sie setzt sich seit über 25 Jahren für kindgerechtes Lernen und gewaltfreie Pädagogik ein. 2007 gründete sie zu diesem Zweck das Institut »Lernmeer«.

Ein Buch zu dem Tabu-Thema von Frau Dr. Ballmann, das mich neugierig machte. Ich las vereinzelt über Vorstöße in diese Richtung, aber (aktuelle) Gewalt durch PädagogInnen ist ein Tabuthema – dieses Tabu gilt es immer wieder zu brechen

Die im Buch zu lesenden beispielhaften Schilderungen von Gewalt sind ziemlich drastisch; es ist schlimm, dass so etwas passiert. Es kann jeder sofort als Gewalt identifizieren. Sowas sollte gerade nicht durch Fachpersonal passieren.

Leider ist es Realität, das wir in einer Kultur der Kinderfeindlichkeit leben – und nur deswegen kann sich überhaupt Gewalt gegen Kinder in einem pädagogischen Kontext durchsetzen: weil sie gesellschaftlich akzeptiert ist. Viel zu viele Kinder sind in ihrem Betreuungsalltag psychischer Gewalt durch Erwachsene ausgesetzt.

Leider ist es gefordert, Kindern Dinge vorzuenthalten, weil sie zum Beispiel Fehler gemacht haben -nicht in einem ganzen Satz gesprochen haben – oder Ähnliches.

Lösungen von Frau Dr. Ballmanns der individuellen, psychotherapeutisch angeleiteten Selbstreflexion findet der Leser . Sie überträgt aber die Lösung dieses Problems einzig auf das Individuum! Ich verstehe ihre Argumentation, weil Ballmann sicherlich auch gerade von den Kitas gehört werden will, die nicht lesen wollen, dass sie alle „miese“ Arbeit machen. Außerdem ist es die Art von Arbeit, mit der Frau Dr. Ballmann tagtäglich konfrontiert ist.

Im Buch wird auch angesprochen, dass auch Träger verantwortlich sind, dass es durchaus gesellschaftliche Probleme gibt – aber dabei muss man sich im Klaren sein

Es ist fraglich ob es nur um die wenigen „faulen Äpfel“ im Korb geht. Ballmann sagt selbst, dass sich so viele KollegIinnen nicht trauen würden, etwas zu sagen, und das selbst sei auch schon pathologisch. Dann haben wir plötzlich doch eine ganze Menge faule Äpfel mehr, oder? Oder sagen sie vielleicht nichts, nicht weil sie feige sind, sondern weil der Machtmissbrauch der Erwachsenen zu einem Großteil gesellschaftlich anerkannt ist? Und weil das Anzeigen von Gewalt meist mit Gegengewalt bestraft wird?

Außerdem stimmt die Argumentation auch nicht, dass ja die durchgeplanten Angebote, schuld am Personalmangel seien. Es gibt viele Graustufen zwischen Eins-zu-Eins-Betreuung und einem komplett durchgetakteten Tagesablauf. Die allermeisten Kitas, die ich kenne und das sind auch nicht wenige, haben eine grobe Tagesstruktur und solche festen Rituale wie die Literaturzeit nach dem Essen sind oft Pausenregelungen und dem erfahrungsevidenten Ruhebedürfnis nach dem Essen – hier würde überhaupt kein Personal gewonnen, wenn man diese feste Struktur ändern würde. Auch bei gruppenübergreifenden Angeboten, wie z. B. gezielte Treffen der Vorschulkinder, werden diese nicht grob aus ihrem Spiel gerissen, sondern freuen sich darauf!

Nochmal: Ich finde es richtig und gut, dass Frau Dr. Ballmann dieses Fass aufgemacht hat. Ich kritisiere aber, dass hier sehr viel an strukturellen (!) Problemen auf das Individuum bezogen wird. Und die Lösungsmöglichkeiten für mich auch zu sehr auf der Ebene des Individuums bleiben. Systemische Lösungen und konkrete Vorgehen bleibt Ballmann hier leider schuldig. Aber vielleicht kommt da auch noch was.

Dann wäre es übrigens schön, wenn Frau Dr. Ballmann vom pädagogischen Personal sprechen würde, denn die Zeiten, dass nur „Erzieherinnen“ in den Kitas arbeiten, sind nun wirklich vorbei.

Die Autorin weiß, wovon sie spricht, aus Praxis, aus Forschung, BEIDES!! ENDLICH! Sie belegt alle Aussagen mit sattelfesten Quellen, ist ein seltenes Exemplar aus Kita-Erfahrung UND Wissenschaft. 500 Kitas sind ja auch kein „Zufall“. Es MUSS etwas geschehen. Es ist spannend, berührend zu lesen, aber dennoch gibt es Hoffnung. A

  • Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
  • Verlag: Kösel-Verlag; Auflage: 3
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3466311292
  • ISBN-13: 978-3466311293
  • Größe und/oder Gewicht: 14,5 x 2,3 x 22,1 cm

Weitere Bücher des Verlags

https://bibliomaniacs.de/wieder-im-gleichgewicht/

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