/ Oktober 11, 2022/ Ratgeber, Romane

Wie kann man heutzutage ein Thema, dessen Ursprünge weit zurückliegen und das nur von einer bestimmten Gruppe geschätzt wird, allgemein verständlich machen? Es handelt sich hier um klassische Musik, die für viele Menschen ein Buch mit sieben Siegeln ist. Einige Leute sind engstirnig und erkennen nichts an, was nach der klassischen Ära kam, während andere sich selbst als gebildet bezeichnen, weil sie Klassikmusik hören, die in Werbespots verwendet wird. Aber früher wurden Beethoven, Schönberg, Brahms, Bruckner, Verdi, Wagner, Mahler und Strauss, insbesondere Richard Strauss, sowie ihre Werke geächtet und nicht von jedermann geschätzt.
Wenn am Samstagabend das dillethantische Bühnentun durch ein Talent-Highlight ersetzt wird, steigen die Zuschauerquoten, und jeder Zuschauer wird zum Kunstexperten, indem er die Meinungen der Experten unreflektiert akzeptiert und nachplappert. Vor zweihundert oder hundert Jahren wurden tatsächlich Skandale auf der Bühne inszeniert, indem Künstler Neues ausprobierten und Beweggründe im Vordergrund standen. Der Autor des Buches, Thomas Leibnitz, hat nicht vor, Skandale und Verrisse am Bühnenrand anzufeuern, sondern bietet faktenreiches und ausführliches Hintergrundwissen für diejenigen, die sich bereits für Klassik interessieren. Diejenigen, die sich noch nie dafür interessiert haben, werden durch den Titel angezogen. Vielleicht kommen sie doch noch zu dem Schluss, dass Klassik nicht so altmodisch ist, wie sie vermutet hatten. Diejenigen, die zwischen „Ach nee“ und „irgendwie bin ich schon daran interessiert, aber…“ schwanken, werden auf jeden Fall zufrieden sein. Thomas Leibnitz verleiht der manchmal schweren Klassik mit Eleganz und Leichtigkeit, die ihr eigen sind. Es müssen nicht immer blitzende Nippel sein, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Verdis „Sizilianische Vesper“ wurde als „viel Geschrei, wenig Wolle“ verrissen, während Brahms als öde und trostlos beurteilt wurde. Beethovens Spätwerk wurde von Ernst Woldemar als abschreckend, geschmacklos und entsetzlich empfunden. Ob es damals bereits so etwas wie einen Shitstorm gab, ist unklar. Heute würden tausende Beethoven-Follower den Kritiker postwendend verbal und anonym attackieren. Das Buch zeigt, dass Musik und Geschmack oft eine unheilige Allianz eingehen. Die Macht des Wortes ist bis heute ungebrochen, und das Buch sollte genauso angenommen werden. Acht Musiker, die bereits erwähnt wurden, wurden sowohl geachtet als auch geächtet. Kritik konnte einen zerbrechen, während unbeeindrucktes Vorgehen den Verlust von Zuhörern bedeuten konnte. Die uneitle Sichtweise des Autors zu den teils heftigen Verrissen der damaligen Zeit macht das Buch heute noch interessant und lesbar.

Die Kritiken zeigen deutlich, dass Musik und persönlicher Geschmack oft eine unheilige Allianz eingehen. Dies war schon in der Vergangenheit so und wird auch in Zukunft so bleiben. Die Macht der Sprache ist bis heute ungebrochen und genau deshalb sollte man dieses Buch ebenso betrachten. Die acht erwähnten Musiker waren sowohl gelobt als auch verdammt, je nachdem, wen man fragt. Jeder, der sich von einer harten Kritik beeindrucken ließ, litt unter den Auswirkungen. Wer jedoch standhaft blieb, riskierte den Verlust von Zuhörern. Was das Buch heute noch interessant und lesenswert macht, ist die unvoreingenommene Sichtweise des Autors auf die damaligen heftigen Kritiken. Denn auch heute noch haben starke Worte eine große Wirkung.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Residenz Verlag (11. Oktober 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 256 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3701735654
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3701735655
  • Abmessungen ‏ : ‎ 15.2 x 3 x 21.5 cm

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