Es handelt sich beim internationalen Familienrecht um hochkomplexe Texte. Die Materie wurde aus deutscher Sicht mit zahlreichen Ausblicken auf die Situation im Ausland dargestellt.
Andrae hat ein Werk vorgelegt, das aus einer Mischung aus Einführung und profundem Handbuch besteht. Ich finde das diese Kombination ziemlich gut ist – es werden fast alle praxisrelevanten Aspekte der Familienbeziehungen mit Auslandsberührung angesprochen.
Darstellungen wurden sehr detailliert und systematisch angegeben. Diese haben sich zum Beispiel an Sachproblemen orientiert – wie Scheidung, Unterhalt oder Abstammung von Kindern.
Positiv ist mir aufgefallen, das die in die Darstellung zahlreiche Fallbeispiele eingebaut wurden. Das ist sehr hilfreich um die hochkomplexen Darstellung besser zu verstehen.
Leser, die bereits über Vorkenntnisse im Bereich des IPR erworben haben sind beim Lesen der Lektüre im Vorteil.
Statistiken zeigen, das inzwischen etwa jede siebte Ehe Auslandsbezüge aufweisen.
Dies scheint ein Grund zu sein, weshalb Mandate mit Auslandsbezügen nicht nur in diesem Bereich deutlich zunehmen. Das Buch sollte jedem Rechtsanwender helfen die damit verbundenen Probleme, zu bewältigen.
Neben den rechtlichen Fragen auf die tatsächlichen Verhältnisse geht die erheblich erweiterte Neuauflage auch auf Themen ein, die sich umfangreich geändert haben aufgrund der starken Migration nach Deutschland und anderen Ländern Europas.
Der Aufbau des Bandes hat sich geändert. Im vorliegenden Werk von Andrae wurden jetzt drei Komplexe gebildet: die Ehe und andere Partnerschaften, Eltern – Kind – Beziehungen und Unterhalt. Sachprobleme wie zum Beispiel Scheidung, Unterhalt oder Abstammung werden besprochen. Die Anzahl der Fallbeispiele, die die Materie verständlicher machen hat ebenfalls zugenommen..
Zum Vergleich zur Vorauflage aus dem Jahr 2014 hat sich der Rechtsrahmen geändert. Nun ist er von einer starken Europäisierung gekennzeichnet. Andrae geht eingehend auf die seit dem 29.01.2019 anwendbaren beiden Güterrechtsverordnungen ein. Dies hat erhebliche Abgrenzungsfragen zur Anwendbarkeit nationaler Regelungen nach sich gezogen.
Hervorzuheben ist, das es seit der ersten Auflage des Werks eine besondere Stärke ist, sich Abgrenzungsfragen sehr systematisch zu widmen. Über das deutsche Verständnis des Güterrechts hinaus gehen die beiden EU-Güterrechtsverordungen und betreffen nahezu alle Vermögensbeziehungen zwischen Ehepartnern oder eingetragenen Partnerschaften, soweit es nicht um den Versorgungsausgleich, den Unterhalt oder Erbangelegenheiten handelt, die unter die EUErbVO fallen könnten. Andrae hat auch den Übergangsregelungen einen Text gewidmet.
Die Rechtslage des IPR in Europa hat sich seit der Vorauflage im Jahr 2014 erheblich verändert. Meist gibt es aber ähnlichen Problemstellen von den Sachverhalten her.
Mit dem FamFG wurde eigenständig geregelt, findet aber auf EU – Sachverhalte zwischenzeitlich keine Anwendung mehr, weil der spezifischen Regimes des EU – Rechts vorrangig zu behandeln ist. Diese Thematik wird hier sehr intensiv erörtert.
Die Ausführungen konzentrieren sich auf die gegenwärtige Rechtslage unter detaillierter Auswertung der Rspr da die Reform der Brüssel IIa-VO steckengeblieben ist – nur an einigen Stellen wird auf die Reformpläne eingegangen.
Die ROM – III – VO der EU wird schwerpunktmässig dargestellt da das Scheidungskollisionsrecht völlig anders geregel wurde als dies in der Vergangenheit der Fall war. Daran ankoppelnd musste dann die Regelung über den deutschen Versorgungsausgleich angepasst werden.
Der deutsche Gesetzgeber hat gleichzeitig eine neue Kollisionsnorm für die vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung in das EGBGB aufgenommen. Das deutsch – französische Übereinkommen für den Wahlgüterstand, dass zu einem Modell für eine künftige europarechtliche Regelung werden könnte wurde ebenfalls aufgenommen.
Die europäische Unterhaltsverordnung wird auch erörtert. Es wurde auch das neue Haager Abkommen zum internationalen Familienrecht berücksichtigt, dem inzwischen 40 Staaten beigetreten sind, nebst dem Haager Unterhaltsabkommen von 2007 sowie dem Haager Kinderschutzübereinkommen, das am 01.11.2011 nach langer Vorlaufzeit endlich in Kraft getreten ist. Erklärt wurde auch das deutsche Auslandsunterhaltsgesetz mit einem größeren Umfang.
Komplizierter wurde die Rechtslage in diesem Bereich – zumal etliche Entscheidungen ergangen sind, bei denen jeweils zu prüfen ist, ob sie auf die aktuelle Rechtslage noch anwendbar wäre, wenn man sie heranziehen will. Zahlreichen Entscheidungen des EuGH zur EheVO (EU) wurden vollständig erfasst – genauso das Thema Anerkennung und Vollstreckung nach der EuGVVO. Es ist eine Tatsache, das deren Möglichkeiten manche Unterhaltsschuldner “unterschätzen”.
Kritisch ist die Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung – daher wurden auch neue Lösungsvorschläge präsentiert – gerade dann wenn die Rechtsprechung zu bestimmten neueren Regelungen noch nicht Stellung genommen hat.
Auf die Veränderungen im autonomen internationalen Familienrecht und den Wegfall der Art. 3a, 15 und 16 EGBGB aufgrund der EU-Güterrechtsverordnungen geht Andrae intensiv ein denn diese gelten nach wie vor für “Altfälle” – daher werden diese Regelungen weiter erörtert.
Bei der Überleitungsregelung in Art. 229§ 47 EGBGB wird Kritik ausgeübt denn es ist nicht einschätzbar wie sich die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem “Brexit” ergeben werden. Es kann durchaus zur Folge haben kann, dass Great Britain zum Drittstaat wird.
Als führende Darstellung in diesem Bereich ist das Werk sehr problemorientiert geschrieben und es hat durchaus auch Einfluss auf die Lösung von Streitfragen.
Andraes Lehr – und Handbuch hilft Praktikern einen Überblick über das internationalen Familienrecht zu erhalten – ausgehend von familienrechtlichen Sachproblemen. Mich hat die Informationsdichte sehr beeindruckt.
Ich finde dies ist die interessantesten Darstellungen dieser Art.
- Herausgeber : Nomos; 4. Edition (11. Juli 2019)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 845 Seiten
- ISBN-10 : 3848752573
- ISBN-13 : 978-3848752577
- Abmessungen : 15.19 x 22.71 cm